Zofingen (er)findet seine Geschichte: Quellenforschung und Geschichtskonstruktion um 1700

Datum: Freitag, 7. Februar 2020Wegmann-Franz
Zeit: 20.00 Uhr
Ort: Stadtbibliothek Zofingen, Vortragssaal Dachgeschoss

Referent: Dr. Rudolf Gamper

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts begnügte man sich in Zofingen mit der Kenntnis einiger wichtiger Freiheitsbriefe und Verträge, die der Stadt eine selbständige Stellung inmitten des bernischen Untertanengebietes garantierten. Um 1700 wehte ein neuer Wind: Die Stadtbibliothek wurde gegründet. Darin manifestierte sich ein inhaltlich breit gestreutes kulturelles Interesse. Die grundlegenden Werke der eidgenössischen Geschichte gehörten zu den ersten grossen Anschaffungen.

In dieser Zeit durchforschte der Kürschner Samuel Zimmerlin als erster Quellenforscher die Dokumente im städtischen Archiv. Er kopierte Urkunden, stellte Auszüge aus dem Verwaltungsschriftgut her und erarbeitete Listen der Bürgermeister und anderer Amtsträger. Die Auswertung der gesammelten Materialien zu einer Stadtgeschichte gelang ihm nicht.

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Zofinger Chroniklin

Erfolgreicher war Schultheiss Johann Rudolf Suter, den man später als Münzschultheissen bezeichnete. Er benutzte die neuen historischen Kenntnisse, um die Stadt Zofingen mit einer prestigeträchtigen Geschichte auszustatten, in der das Münzwesen eine zentrale Stellung einnahm. Suter erreichte, dass die Stadt Zofingen wie einst im Mittelalter eigene Münzen prägte und damit eigenes Geld in Umlauf brachte. Das Bestreben, der eigenen Geschichte Bedeutung zu verleihen, führte im Umfeld von Suter zu fragwürdigen Geschichtskonstruktionen, in der auch eine gefälschte hochmittelalterliche Königsurkunde auftauchte. Doch die Stadt Bern liess die Zofinger nicht lange gewähren. Sie mussten die Münzprägung einstellen, und die neugefundene Geschichte fand keine weitere Verbreitung.

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Dr. Rudolf Gamper

Rudolf Gamper war bis 2014 Bibliothekar der Vadianischen Sammlung in St. Gallen. Er katalogisierte die mittelalterlichen Handschriften verschiedener Schweizer Bibliotheken und publizierte Studien u.a. zur spätmittelalterlichen Chronistik. In den letzten zwei Jahren bearbeitete er die handschriftlichen Bestände der Stadtbibliothek Zofingen für den schweizerischen Online-Verbundkatalog für Handschriften (HAN).

Wir würden uns freuen, Sie zum Abschluss der HVZ-Saison nochmals zu einem spannenden lokalhistorischen Vortrag begrüssen zu dürfen.

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